Im Jahr 1885 begründeten 24 Frankfurter Bergfreunde eine DAV-Sektion
Um die Mitte des 19. Jahrhunderts gründete sich der Deutsch-Österreichische Alpenverein, dessen Ziel es war, das Alpengebiet dem Verkehr zugänglich zu machen und gleichgesinnte Bergfreunde, die ihr Glück und Freude in der schönen Bergwelt der Alpen suchten, um sich zu sammeln. Am 30. Januar 1885 taten sich auch 24 Frankfurter Bergfreunde im Reiman´schen Restaurant zusammen, um eine Sektion Frankfurt a.d. Oder des damaligen Deutsch-Österreichischen Alpenvereins zu gründen. Maßgeblich beteiligt an der Gründung der Sektion Frankfurt a.d. Oder war unter anderem Regierungsreferendar von Kehler, der auch zum 1. Vorsitzenden gewählt wurde. Durch Schreiben des Zentralausschusses vom 04. Februar 1885 wurde die Frankfurter Sektion als 113. Sektion des Gesamtverbandes anerkannt. In den folgenden Jahren erfreute sich der Verein eines regen Zuspruchs, die Mitgliederzahlen wuchsen stetig. Im Jahre 1890 war die Sektion schon auf 51 Mitglieder angewachsen. 1896 stieg die Mitgliederzahl auf 142 Mitglieder an, worunter sich 7 Damen befanden. Damen bildeten in solchen Zeiten eine Ausnahme, die Sektion Frankfurt a.d. Oder war eine der ersten Sektionen, die Frauen aufnahm. Bisher konnten Frauen nur in Österreich dem Alpenverein beitreten. Im Jahre 1899 hielt sich der damalige Vorsitzende, erster Staatsanwalt Chuchul, mehrere Wochen in Längenfeld (Ötztal) auf, wo er mit der dort lebenden Familie Gstrein engere Beziehungen geknüpft hatte. Dort schenkten ihm die Eigentümer einen Platz in "hoher Alpenwildnis" am Winnebachsee (2362 m). Dieses Gebiet reichte aus, um dort eine Hütte zu errichten. Ausserdem wurde ihm das alleinige Recht eingeräumt, Alpenwege zu diesem Hüttenplatz durch dieses Gebiet anzulegen. Bei einer ausserordentlichen Generalversammlung der Sektion am 26. August 1899 wurde dann beschlossen, das damalige Vermögen der Sektion für den Bau einer "Winnebachsee-Hütte" zu verwenden und vom Zentralausschuss des DÖAV finanzielle Mittel zu erbitten. Aufbau und Einweihung der Hütte 1900/1901 Das Jahr 1900 wurde ganz mit dem Hüttenbau ausgefüllt, aber auch um behördliche Streitigkeiten aus dem Weg zu räumen und Gelder zu sammeln. Für den Hüttenbau wurden Handwerker aus Längenfeld und Tirol angestellt. Zu dieser Zeit war die Hütte als unbewirtschaftetes, nur mit Matratzenlager ausgestattetes und mit Proviant versehenes Haus gedacht. Am 01. August 1901 war es dann soweit: die Hütte war fertig gestellt und konnte feierlich eingeweiht werden. Es fand eine Feierstunde statt, bei der die Hütte von Pfarrer Reisigl geweiht wurde. Massgeblich am Aufbau der Hütte beteiligt waren die Herren Paul Chuchul, Paul Hauptmann und Oberhüttenwart Paul Serger. Da alle diese drei um die Hütte hochverdienten Herren zufällig den Vornamen Paul führten, wurde der über der Hütte liegende Aussichtspunkt ihnen zu Ehren "Paulshöhe" getauft. Um den bei der Hütteneinweihung nicht zugegen gewesenen Sektionsmitgliedern eine schwache Idee von dem Einweihungsfest zu geben und Lust zum Besuchen der Hütte zu machen, ahmte das Winterfest in Frankfurt in der Aktienbrauerei die Szenerie auf der Hütte nach. In den folgenden Jahren erlebte die Hütte einen regen Zuspruch bei den Frankfurter Bergfreunden. Es machte sich aufgrund des regen Besucherstroms erforderlich, dass die Winnebachsee-Hütte bewirtschaftet wurde. Diese wichtige Aufgabe wurde deshalb jahrelang von Friedel Schöpf, dem ersten Hüttenwirt, übernommen.
Es wurden in den folgenden Jahren einige Um- und Ausbauten an der Hütte vorgenommen und auch neue Wege in der alpinen Wildnis angelegt, so z.B. der Weg zur Gubener Hütte (heute: Guben-Schweinfurter Hütte) im Zwieselbachtal. Prof. Ludwig aus Frankfurt veröffentlichte mehrere Reiseberichte aus dieser Umgebung in der Frankfurter Oderzeitung und in der Zeitschrift des Deutsch-Österreichischen Alpenvereins, in denen er anschaulich die herrliche Umgebung der Winnebachseehütte beschrieb. Er hielt derzeit zu diesem Thema auch mehrere Lichtbildervorträge. Unter seiner Leitung wurden in der Sektion regelmässig "Sonnabend-Märsche" durchgeführt, die u.a. ins Schlaubetal führten, rund um Lagow und Küstrin, an den Reitweiner Sporn und ins Oelsetal. Von 1895 bis 1941 engagierte er sich in mehreren Vereinsfunktionen.
Aktivitäten 1945 - 1989
Nach Ende des zweiten Weltkrieges 1945 erloschen in der damaligen sowjetischen Besatzungszone die ostdeutschen Sektionen und der DAV wurde in Ostdeutschland verboten. Das schränkte aber nicht das Interesse an Wander- und Kletterreisen ein. In der DDR waren durch die stark eingeschränkte Reisefreiheit die bergsportlichen Aktivitäten nicht ausgelöscht. Man traf sich in Interessengruppen oder war beim ostdeutschen DWBO (Deutscher Bund für Wandern, Bergsteigen und Orientierungslauf) bzw. DTSB (Deutscher Turn- und Sportbund) organisiert. In Frankfurt (Oder) gab es z.B. eine Sportgemeinschaft bei Lok Frankfurt, eine Betriebssportgruppe im Halbleiterwerk Frankfurt und eine Betriebssportgruppe der Druckerei "Neuer Tag", die dem DWBO angegliedert waren. Leider wurden diese Organisationen auch für politische Propaganda missbraucht. Die sportlichen Aktivitäten der Gruppen beschränkten sich damals aufs Wandern, Klettern und Bergsteigen in den heimischen Mittelgebirgen (z.B. Elbsandsteingebirge) und in den Gebirgen der Ostblockstaaten (z.B. Hohe Tatra, Karpaten, Rila-Gebirge, Kaukasus). Die Ausrüstung entsprach bei weitem nicht dem heutigen Standard. Man musste mitunter gute Beziehungen haben, um an Kletter-Material heran zu kommen, das ausserdem damals nicht gerade billig war. Es wurde von jedem Kletterer streng behütet und größenteils nur an sehr gute Freunde oder an Familienangehörige weiter gegeben. Im übrigen wurde bei Ausrüstungsmangel stets auch sehr viel improvisiert.Nach dem Kriegsende 1945 übertrugen die Siegermächte die Winnebachseehütte an den österreichischen Alpenverein. Dieser teilte die damaligen ostdeutschen Hütten an westdeutsche hüttenlose Sektionen auf. Die Winnebachseehütte, die nach Ende des Krieges leerstand und verwahrloste, wurde 1955 der Sektion Hof des DAV übertragen. Die Hofer Bergfreunde haben viel Fleiss, Mühe und Geld für den Erhalt und die Erweiterung der Hütte aufgebracht und dabei immer noch die Frankfurter Tradition gepflegt. Die Erinnerung an die ehemaligen Frankfurter Erbauer und Betreiber wird von den Hofern gepflegt, indem "Frankfurter Stadtansichten" des Frankfurter Zeichners Max Heilmann noch immer die Wände im großen Aufenthaltsraum zieren. Davon, dass die Winnebachsee-Hütte bei der Sektion Hof in guten Händen ist, können sich Frankfurter Bergfreunde seit der deutschen Wiedervereinigung selbst überzeugen. Spekulationen über eine eventuelle Rückführung der Hütte wurden jeweils während der gemeinsam begangenen 90- und 100-Jahr-Feiern der Winnebachseehütte aus dem Weg geräumt. Die Sektion Hof ist eindeutig Besitzer der Hütte und das ist gut so.
Dieses Foto aus der Homepage Winnebachseehütte (Copyright by Nina Riml 2010) zeigt rechts an der Wand eine Max-Heilmann-Grafik. Zu sehen ist Frankfurt (Oder) mit der Franziskanerkirche (heute: Konzerthalle), die Oder und eine Oderbrücke.
Wiedergründung der Sektion Frankfurt (Oder) 1992
Auf Initiative von Roland Totzauer (im Foto 3. von rechts) trafen sich im April 1991 erstmals Interessenten (u.a. aus ehemaligen Wander- und Bergsteigergruppen) und dachten über die Fortsetzung der Frankfurter Sektions-Tradition nach. Insbesondere die Wander- und Bergfreunde Gunter und Peter Fritsch, Bernd Krause, Hubert Sturm und Karin Wolff (Enkeltochter von Prof. Ludwig) strebten die Bildung einer Gruppe Frankfurt (Oder) des DAV an. Befördert wurden diese Gedanken auch durch die Teilnahme von sieben Frankfurter Bergfreunden an der 90-Jahr-Feier der Winnebachseehütte im September 1991 (siehe Foto). Eingeladen dazu hatte die Sektion Hof. In Frankfurt war Anfang 1992 die Zahl der Interessenten bereits auf 30 angewachsen. Nach Abstimmung mit dem DAV waren im April 1992 dann alle Voraussetzungen erfüllt, um die Sektion Frankfurt (Oder) wiederzugründen. Als erster Vorstand wurden damals gewählt: Roland Totzauer (1. Vorsitzender), Gunter Fritsch (2. Vorsitzender), Bernd Krause (Schatzmeister), Hubert Sturm (Schriftführer), Olaf Nöthel (Jugendvertreter), Erhard Weidland und Karin Wolff (Beisitzer). Zum Abschluss der Gründungsversammlung im April 1992 konnte mit Freude ein Glückwunschtelegramm der Sektion Hof zur Wiedergründung der Sektion Frankfurt (Oder) verlesen werden.
Nach dem persönlichen Kennenlernen und einem Gedankenaustausch zwischen dem damaligen DAV-Hauptgeschäftsführer Alfred Siegert und Roland Totzauer in München im Sommer 1992 wurde die wiedergegründete DAV-Sektion Frankfurt (Oder) anschließend vom Dachverband anerkannt und als Nummer 344 eingetragen.
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